Mandantenbrief 08 2020

8 08-2020 MONATS-RUNDSCHREIBEN ABSCHLIESSENDE HINWEISE Finanzbeamter „übersieht“ Prüfhinweise: Korrektur des Steuerbescheids scheitert |  Ein Steuerpflichtiger erklärte Einkünfte aus selbstständiger Arbeit in Höhe von 128.641 EUR – Ein- kommensteuer musste er dennoch nicht zahlen. So lautet im Ergebnis ein Urteil des Bundesfinanz- hofs, in dem es darum ging, ob ein bestandskräftiger Steuerbescheid nachträglich nach § 129 der Abgabenordnung (AO) – „offenbare Unrichtigkeit“ – berichtigt werden kann.  | ◼◼ Sachverhalt Ein Arbeitnehmer suchte regelmäßig arbeits- täglich seinen Arbeitsplatz auf und kehrte noch am selben Tag von dort nach Hause zurück. Ver- einzelt erfolgte die Rückkehr nach Hause je- doch erst an einem der nachfolgenden Arbeits- tage. Der Arbeitnehmer machte auch in diesen Fällen sowohl für die Hin- als auch die Rück- fahrt die volle Entfernungspauschale als Wer- bungskosten geltend. Damit hatte er jedoch we- der beim Finanzgericht Münster noch beim Bundesfinanzhof Erfolg. Die Entfernungspauschale deckt zwei Wege (einen Hin- und einen Rückweg) ab. Ein Arbeit- nehmer, der an einem Arbeitstag nur einen Weg zurücklegt, kann folglich auch nur die Hälfte der Entfernungspauschale von 0,30 EUR – also 0,15 EUR je Entfernungskilometer und Arbeits- tag – als Werbungskosten abziehen. MERKE |  Das Finanzgericht Münster (Vorins- tanz) hatte eine andere Sichtweise vertreten: Die Entfernungspauschale von 0,30 EUR wird für je- den vollen Kilometer der Entfernung zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte für die Hin- fahrt gewährt. Findet die Rückfahrt von der ers- ten Tätigkeitsstätte zur Wohnung an einem an- deren Tag statt, ist hierfür keine (weitere) Pau- schale zu berücksichtigen. Im Sachverhalt des Streitfalls führten beide Sichtweisen rechnerisch zum selben Ergebnis. Die Praxisrelevanz ergibt sich aber insbesondere dann, wenn der Arbeitnehmer von einer von der ersten Tätigkeitsstätte aus unternommenen mehrtägigen Dienstreise unmittelbar zu seiner Wohnung zurückkehrt. Hier wäre die Ansicht des Finanzgerichts Münster günstiger gewesen. Quelle |  BFH-Urteil vom 12.2.2020, Az. VI R 42/17, unter www. iww.de, Abruf-Nr. 216185; BFH, PM Nr. 26/2020 vom 12.6.2020 ◼◼ Sachverhalt Ein Steuerpflichtiger hatte in seiner Einkom- mensteuererklärung u. a. Einkünfte aus selbst- ständiger Arbeit in Höhe von 128.641 EUR erklärt. Beim Einscannen der Unterlagen im Veranla- gungsbezirk des Finanzamts wurde die Anlage S zur Einkommensteuererklärung indes überse- hen, sodass eine Erfassung unterblieb. Nach maschineller Überprüfung der eingescann- ten Daten durch ein Risikomanagementsystem gingen mehrere Prüf- und Risikohinweise ein, die die Sachbearbeiterin zwar bearbeitete. Sie prüfte aber nicht, ob die Einkünfte aus selbstständiger Arbeit zutreffend im Steuerbescheid übernom- men worden waren. Erst im Folgejahr wurde der Fehler erkannt und der Einkommensteuerbe- scheid nach § 129 AO berichtigt – jedoch zu Un- recht, wie der Bundesfinanzhof entschied. § 129 Satz 1 AO erlaubt nur die Berichtigung von Schreibfehlern, Rechenfehlern und ähnlichen offenbaren Unrichtigkeiten (mechanische Ver- sehen), die beim Erlass des Verwaltungsakts unterlaufen sind. § 129 AO ist dagegen nicht an- wendbar, wenn dem Sachbearbeiter des Finanz- amts ein Tatsachen- oder Rechtsirrtum unter- laufen ist oder er den Sachverhalt mangelhaft aufgeklärt hat. Durch die imStreitfall erfolgten Prüf- und Risiko- hinweise war eine weitere Sachaufklärung durch die Sachbearbeiterin erforderlich. Da diese aber nicht erfolgte, beruhte die fehlende Erfassung nicht auf einem bloßen mechanischen Versehen und die Anwendung des § 129 AO scheiterte. Quelle |  BFH-Urteil vom 14.1.2020, Az. VIII R 4/17, unter www. iww.de, Abruf-Nr. 215908; BFH, PM Nr. 25/2020 vom 28.5.2020

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