Sonderausgabe zur großen Reform der Grundsteuer

– 4 – Sonderausgabe 01 | 2022 Rechtsstand | 6.4.2022 ↘ ↘HAFTUNGSAUSSCHLUSS Der Inhalt des Rundschreibens ist nach bestem Wissen und Kenntnisstand erstellt worden. Die Komplexität und der ständige Wandel der Rechtsmaterie machen es notwendig, Haftung und Gewähr auszuschließen. Das Rundschreiben ersetzt nicht die individuelle persönliche Beratung. 4. Länderöffnungsklausel (abweichendes Landesrecht) Durch eine Länderöffnungsklausel im Grundgesetz ist den Ländern eine abweichende Regelungskompetenz eröffnet worden, von der fünf Bundesländer Gebrauch gemacht haben. Die folgenden Ausführungen verschaffen einen Überblick über wesentliche Grundsätze, ohne ins Detail zu gehen. 4.1 Baden-Württemberg Das Modell in Baden-Württemberg sieht vor, bei Grundstücken des Grundvermögens nur den Wert des Grund und Bodens zu besteuern. Daher werden Grundstücke anhand ihrer Fläche und dem jeweiligen Bodenrichtwert auf den Hauptfeststellungszeitpunkt bewertet. Die Bodenrichtwerte sind von den Gutachterausschüssen auf den Hauptfeststellungszeitpunkt zu ermitteln, zu veröffentlichen und an die Finanzbehörden zu übermitteln. Wird von den Gutachterausschüssen kein Bodenrichtwert ermittelt, ist der Grundstückswert aus den Werten vergleichbarer Flächen abzuleiten. Beachten Sie | Auf Antrag kann ein anderer Wert des Grundstücks angesetzt werden, wenn der durch ein qualifiziertes Gutachten nachgewiesene tatsächliche Wert des Grund und Bodens zum Zeitpunkt der Hauptfeststellung um mehr als 30 % abweicht. Die Steuermesszahl für Grundstücke des Grundvermögens beträgt 1,30 ‰. Diese Messzahl wird um 30 % ermäßigt, wenn das Grundstück überwiegend Wohnzwecken dient. Darüber hinaus sind weitere Ermäßigungen bei der Steuermesszahl möglich (z. B. 10 % für denkmalgeschützte Objekte). ◼◼ Beispiel S ist Eigentümerin eines denkmalgeschützten Einfamilienhauses (200 qm Wohnfläche) auf einem 400 qm großen Grundstück. Bodenrichtwert 250 EUR/qm. Der Hebesatz der Gemeinde ist 350 %. Grundsteuerwert (400 qm × 250 EUR) 100.000 EUR Steuermesszahl 1,30 ‰ . /. 30 % Ermäßigung „Wohnnutzung“ - 0,39 ‰ . /. 10 % Ermäßigung „Denkmalschutz“ - 0,13 ‰ Grundsteuerwert (100.000 EUR) × Steuermesszahl (0,78 ‰) 78 EUR Messbetrag × Hebesatz 273 EUR 4.2 Bayern Nach dem bayerischen Äquivalenzprinzip kommt es auf den Wert einer Immobilie nicht an, sondern nur auf die Grundstücks- und Gebäudeflächen. Die Äquivalenzzahlen betragen für • • den Grund und Boden 0,04 EUR/qm, • • Gebäudeflächen (unabhängig von der Nutzungsart) 0,50 EUR/qm. Die Grundsteuermesszahl beträgt im Grundsatz 100 %. Für den Äquivalenzbetrag der Wohnflächen erfolgt jedoch eine Ermäßigung auf 70 %. ◼◼Beispiel Ein Einfamilienhaus (in einem kleinen Dorf in Bayern) hat eine Wohnfläche von 180 qm. Das Grundstück ist 650 qm groß. Der Hebesatz der Gemeinde ist 340 %. Fläche Grundstück (650 qm × 0,04 EUR) 26,00 EUR Fläche Gebäude (180 qm × 0,50 EUR) 90,00 EUR Äquivalenzbetrag Grundstück (26 EUR) × Grundsteuermesszahl (100 %) 26,00 EUR Äquivalenzbetrag Gebäude (90 EUR) × Grundsteuermesszahl (70 %) 63,00 EUR Grundsteuermessbetrag 89,00 EUR Messbetrag (89 EUR) × Hebesatz (340 %) 302,60 EUR Bei großen Flächen kann unter gewissen Voraussetzungen eine Anpassung der Äquivalenzzahl erfolgen. Dienen die Gebäude mindestens zu 90 % der Wohnnutzung, wird die Äquivalenzzahl für die das Zehnfache der Wohnfläche übersteigende Fläche des Grund und Bodens nur zu 50 % angesetzt. Darüber hinaus sieht das bayerische Grundsteuergesetz vor, dass Gemeinden räumlich zu begrenzende Hebesatzgebiete ausweisen und für diese gesonderte Hebesätze festlegen können. Kritik: Das „Bayern-Modell“ behandelt Immobilien gleicher Größe, aber unterschiedlicher Lage, Beschaffenheit, Alter und Ausstattung der Gebäude gleich. Das kann dazu führen, dass hochwertige Immobilien nur gering belastet werden, bei flächenmäßig großen, aber geringwertigen Immobilien die Steuerlast dagegen über den Immobilienertrag hinausgeht. 4.3 Hessen, Niedersachsen, Hamburg Hessen, Niedersachsen und Hamburg ergänzen das bayerische Modell um einen Lagefaktor, der Grundstücke in besserer Lage höher besteuert als Grundstücke in schlechter Lage. Die konkrete Ausgestaltung des Flächen-Faktor-Verfahrens unterscheidet sich zwischen den drei Bundesländern nur im Detail. In Niedersachsen und Hessen kommt es auf fünf Faktoren an: • • die Fläche des Grundstücks und des Gebäudes, die Nutzung der Immobilie, den Bodenrichtwert des Grundstücks und den durchschnittlichen Bodenrichtwert der Gemeinde. Die drei Modelle sehen feste Berechnungsgrößen vor. Diese betragen für • • den Grund und Boden 0,04 EUR/qm, • • Gebäudeflächen 0,50 EUR/qm. In Niedersachsen und Hessen beträgt die Grundsteuermesszahl 100 % (Ermäßigung für Wohnflächen auf 70 %). PRAXISTIPP | Die Bodenrichtwerte muss der Grundstückseigentümer in Niedersachsen und Hessen nicht selbst ermitteln. Die Finanzämter erhalten diese von der Vermessungs- und Katasterverwaltung. Daraus ermitteln sie den Lage-Faktor und beziehen ihn in die Berechnung ein. Die maßgebliche Gebäudefläche bei Wohnnutzung ist die Wohnfläche. Wer keine adäquaten Unterlagen (z. B. Bauunterlagen oder Mietvertrag) zumNachweis zur Verfügung hat, sollte sich an der Wohnflächenverordnung orientieren. Das Hamburger „Wohnlagenmodell“ berücksichtigt neben der Fläche des Grundstücks und der genutzten Fläche der Gebäude auch die Wohnlage der Immobilie. So reduziert sich die Grundsteuermesszahl (100 %) bei Wohnflächen in guten Wohnlagen auf 70 %. In normalen Wohnlagen reduziert sich die Grundsteuermesszahl um weitere 25 %.

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